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07. Juni, Pilion- Naxos

50 km Kurven am Donnerstag Morgen zum Frühstück. Die Ostküste vom Pilion Richtung Süden ist was für Gourmets. Eine grün-grüne Koalition, mit dampfenden Strassen unter der sich aufrichtenden Sonne, Brückenbäume erwecken Balis Grün. Dagegen ist der Golf von Volos auf der Westseite nicht mal den Sprit wert.

Autobahn nach Athen mit vorbeifliegender Toskanalandschaft. Silbriggrün kugelige Olivenbäume an gelben Getreidefeldern. Der Duft von Toastbrot mit Olivenöl umschmeichelt meine Nase. Mittel und Randstreifen sind eingefasst mit blühendem Oleander. Diese neue Autobahn kostet 600.000.000,-€. Wenn sie fertig ist, bin ich 10 Minuten eher am Hafen in Pireus. Dann weiß ich 10 Minuten früher, dass heute doch keine Fähre nach Amorgos geht. Morgen.

Aber die Motorradfahrt durch diese Millionenstadt ist genial. 4-5 Spuren achterbahnmässig ausgebaut, oben vorbei im Rechtsschwung am Stadion für Frieden und Freundschaft. Ob Jannis und Politti wussten, dass vor der Hafenausfahrt alle Fährdestinationen mit Gates ausgeschildert sind. Wie in Tegel. Perfekt. Kyklades: Gate 7

Ich stelle fest, dass Pireus doch cleaner ist als Durres und entscheide mich für die „Blue Star Naxos“. Mit der Kuh fliege ich in den 1. Stock links und auf dem 3. Deck dieser Neuzeitfähre staunen meine kleinen Kinderaugen Bauklötze. Aufzüge, Mc Donald, Geldautomat, Telefonzelle, italienische Stühlchen an kleinen Tischen, polierte Fliesen, sauberste Toiletten, Boutique und Kellner, die den Müll wegräumen. Neue Touristenklasse. Eu Standard. ADAC gesegnet. Weiss-Blau.

Wo ist die Miaoulis mit dem ewig besoffenen und verliebten Kapitän, der Lieder im Hafen für seine Liebste über das Megaphon schnalzte? Wo sind diese, nach Diesel und Pisse stinkenden, windgeschützten Plätze, wo man so herrlich schlafen konnte auf seiner Bastmatte, nachdem man den Kakerlaken gute Nacht gewünscht hat?

Wo ist diese Inselhüpfengefühl. Wo ist das Abenteuer?

Meine Kuh springt in Naxos leichtfüssiger als sonst über den Hafenbeton. Jeder rennt, wuselt sich durch das Gedränge, jeder will nach Hause um Mitternacht in Naxos. Im Slalom durch die Rucksacktouristen, durch die Busse, die kleinen Autos. „rooms, rooms“ rufen sie immer noch, die Zimmervermieter. Schnell wie nie zuvor habe ich eines, tauche ich ein in diese heile Welt hinter der rauen kalt abweisenden Hafenfront. Jahrhundertalte ausgetretene Stufen bringen mich vorbei an Blumen und wildem Wein zum besten Joghurt mit Früchten auf dieser Welt, zum besten doppelten Espresso auf dieser Welt. Untermalt mit der besten französischen Musik dieser Welt genieße ich den Abend und die Nacht. Meine Kuh, die beste der Welt, schlummert hinter frischer Minze.

Fährensuche am Freitag.
Heute Nachmittag mit der Scopelitis? Heute Nacht mit der Blue Star? Nene, lieber morgen bei Tageslicht.

Der Tag vergeht mit Einkaufen und Schlendern, neuer Telefonkarte, Essen bei den Alten, die vor 25 Jahren auch schon hier ihre köstlichen Speisen anboten. Ich frische meine Bücherei auf und kann nicht mehr loslassen von Stephan Zweig und „Magellan
Zweig schreibt 1936 bei seiner Ausreise aus Nazideutschland, dass er sehr beschämt war auf seiner Dampferfahrt nach Brasilien mit all dem Luxus und allen technischen Raffinessen und Kommunikationseinrichtungen. Sehr beschämt war über sich und seinen Ärger darüber, wenn etwas nicht so funktionierte, wie er es gerne hätte. Ich brauche keinen Spiegel, ich nehme mir die Zeit und verschlinge dieses Buch.

So entdeckte und beschrieb er die tragische Geschichte von Magellan, dem ersten Menschen, der die Welt umrundete und dabei auch den Beweis für diese runde Kugel lieferte. Nebenbei entdeckte er die Datumsgrenze. Das schaffte er mit den primitivsten Mitteln und 5 gebrauchten Fischkuttern Anfang 1500 ohne Laptop und Handy. Aber mit seiner unglaublichen Kraft, seinem unbändigen Willen und seiner Hoffnung. Er starb im überheblichen Kampf gegen ein paar Eingeborene auf den Phillipinen.

Was kann ich noch entdecken?

Was suche ich?

Warum mache ich diese Reise?

Warum nach Amorgos?

Warum fahre ich erst jetzt wieder nach Amorgos?

Ist es die Sehnsucht nach dieser entdeckenden Aufbruchstimmung vor 26 Jahren?

der Aufbruch in das Erwachsenenzeitalter,

der Aufbruch in ein neues Leben,

der Aufbruch in die Zukunft,

Hatte ich früher Blut in den Adern? Ist da heute nur noch warmes Wasser?
Melancholie vergangener Augenblicke, bittersüßer Schmerz.

Bin ich zu alt für Rockmusik?

Samstag, 09.06

Vor Jahren fragt mich meine damals 6-jährige Tochter: "Papa, wer hat das Meer so blau gemacht?"
Heute auf der Fähre schaue ich wieder in dieses tiefe Blau, dieses immerblau. Mein Blau. Kraft. Der Himmel ist leicht grau, doch dieses Kykladenmeer bleibt blau, nicht hellblau, nicht graublau. Nein, tiefblau. Schau genau hin. The deep blue, im Rausch der Tiefe. Dieser Film wurde hier gedreht, hier auf meiner Insel. Da hinten unter dem Kloster auf der anderen Seite, da draußen im tiefen Blau. Da möchte ich endlich einmal runtertauchen. Dann kann ich anschließend meine Flossen, meine Taucherlampe, meinen Tauchcomputer nach Hause schicken.
Dort am Kloster mit der BMW um die Ecke driften, wie Enzo mit seinem roten Fiat 500 vor Freude ausflippte.
Mein Freund Jo, der MotocrossHeld sagt, „ganz einfach: Lenker einschlagen, einen Gang runter und Gas geben.“
Delphinträume????????????

Samstagmittag,
Endlich bewegt sich dieses dicke Tor der Fähre langsam nach unten. Aufregung pur. Ich sitze auf der Kuh mit beiden Beinen fest auf dem Boden, mit beiden Augen fest an dieses Tor geheftet. Der Kahn schwankt noch und dreht sich langsam an den Pier. Katapola, der Haupthafen von Amorgos, der tief einliegende, vor den Winden geschützte Naturhafen dieser trockenen Insel öffnet endgültig nach 4.149 Kilometern mein Vergessen. Zurück will ich nicht mehr.

Raus aus dem Schiffbauch, ab in die Bucht, Pause auf der Parkbank mit verklärtem Hafenblick. Die Fahrt nach Aegialis zieht sich hin. Ein Besuch in der Chora, so heißen auf den Inseln die alten, oben auf dem Berg gelegenen Hauptorte. Außen schroff, den Feind und den Wind abweisend. Innen herzlichweiß und blumig. Sogar die Stufen sind mit weißen Blumen verziert, damit am 15. August bei der Prozession der liebe Gott auf Blumen getragen wird.

Meine wunderbare Münchnerin im silbernen Kleid mit weiss-blauer Brosche bringt mich zur Taverne mit den für alle Zeiten allerbesten Patatas dieser Erde. Doch Dimitri, dieser alte kretische Widerstandkämpfer aus dem 2. Weltkrieg, ist letztes Jahr verstorben. Mir kommen die Tränen beim Anblick der alten Photos mit seinem immer verschmitzten Lächeln und seiner Baskenmütze an den weißen Wänden.

Ich schüttele ein paar bekannte Hände und nach einem Cafe mit vielen Erinnerungen fahre ich dann doch weiter, diese neue Strasse in griechischer Mondlandschaft, Ziegen queren den Weg. Du denkst daran, wie Du den alten Eselspfad nebenan in glühender Hitze gegangen bist. Der Pfad der freudvollen Schmerzen, 6 Stunden mit Rucksack ohne den ersten Aufstieg auf 800 m und dann zur Belohnung Schweitzer Schokoladenkuchen im nächsten Bergdorf.

Ormos Aegialis, der 2. Hafen auf der Insel rückt hinter jedem Felsrücken näher aus dem dich begleitenden Tiefblau. Der in das Meer gebaute Parkplatz ist jetzt asphaltiert. Da wo früher Wellen an die Fundamente der Kirche und Cafenions schlugen, streunen jetzt Katzen umher, schieben Eltern Kinderwagen. In 10 Jahren werden auch hier überdachte und windgeschützte Cafes entstanden sein. Panaiotti und sein Bruder Theo haben vor 3 Jahren die Kantine „Kathina“ übernommen. Er kennt mich, freut sich über unser Wiedersehen und erzählt vom Tod seiner Eltern vor 3 und 4 Jahren. Wir lachen und herzen uns trotzdem. Menschenfreude. Jeden Freitag gibt es ThaiCuisine. Das Brüderchen hat ne lispelnde Freundin.

Ich meide die alten, die zu sehr bekannten Zimmer und finde ein neues. Herrlich gelegen, ich kann ins blaue Wasser spucken. Ich freue mich auf neue Photos mit neuer Digitalkamera und alten aber sehr scharfen Objektiven, die damals schon dabei waren.
Neue Aufnahmetechnik mit geschultem Blick? Neue Einstellungen mit veränderter Brennweite?
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